Magyar Internetes Agrárinformatikai Újság No 2HU ISSN 1419-1652

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Auswirkungen eines EU-Beitritts der Visegrad-Staaten

Eine Partielle und Allgemeine Gleichgewichtsanalyse

Referat

von

Martin BANSE

Wolfgang MÜNCH

Institut für Agrarökonomie der Universität Göttingen
Platz der Göttinger Sieben 5, 37073 Göttingen
Tel: 0551-394817, -24; Fax: 0551-394823
e-mail: mbanse@gwdg.de, wmuench@gwdg.de

Referat auf der Tagung

"Vállalati környezet és alkalmazkodás az élelmiszertermelésben"

09.-10. Oktober 1997

Landwirtschaftliche Universität Gödöllö, Sektion: Agrarinformatik

Einführung und Problemstellung

Die Osterweiterung der EU wird in der näheren Zukunft stattfinden. Die EU-Kommission schlägt in der Agenda 2000 die ersten mitteleuropäischen Beitrittskandidaten vor: Estland, Polen, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn. In diesen Ländern hat der Agrarsektor eine höhere gesamtwirtschaftliche Bedeutung als in der EU-15, so daß Änderungen in der Agrarpolitik bei ihnen weitaus stärkere gesamtwirtschaftliche Auswirkungen vermuten lassen.

Einer der wichtigen Effekte eines Beitritts wird die Einführung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) in den mitteleuropäischen Ländern sein, deren Agrarpolitik weitaus weniger protektionistisch ist (siehe OECD, 1996a, 1997). Dies wird sowohl Auswirkungen auf die mitteleuropäischen Länder als auch auf die EU haben. Die Bedeutung der EU auf den Weltmärkten für Agrarprodukte dürfte mit einem Beitritt noch steigen.

Die mitteleuropäischen Länder sind gekennzeichnet durch transformationsbedingte Instabilitäten, die sich in starken Schwankungen makroökonomischer Indikatoren wie BIP, Preissteigerungen und Wechselkursen niederschlagen. Bojnec, Münch und Swinnen (1997) zeigten die Auswirkungen von realen Aufwertungen der Wechselkurse auf Protektion und Beitrittskosten hin. Orlowski (1997) weist am Beispiel Spaniens und Portugals auf die volkswirtschaftlichen Auswirkungen von Transferzahlungen aus Brüssel hin. Die große gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Europa-Abkommens für Ungarn wird in Banse (1996) sowie die eines EU-Beitritts in Banse und Tangermann (1996) aufgezeigt.

Neben diesen volkswirtschaftlichen Auswirkungen eines Beitritts wird das ausgeklügelte System der gegenwärtigen GAP die Struktur des ökonomischen Anreizsystems auf den Agrarmärkten der Beitrittsländer verändern und zu bedeutenden Verzerrungen führen. Verschiedene Analysen, wie Berkum und Terluin (1995), Tangermann und Josling (1995), Münch (1995) sowie EU-Kommission (1995), weisen auf diese Effekte hin und kommen zu dem Ergebnis, daß von der Einführung einer unveränderten GAP in den Ländern Mitteleuropas große Steigerungen der Überschüsse von Agrarprodukten und erhebliche zusätzliche Belastungen des Staatshaushalts zu erwarten sind.

Eine Schwierigkeit der quantitativen Analyse von Beitrittszenarien liegt in der unterschiedlichen Wirkung der Beitrittseffekte auf volkswirtschaftlicher und landwirtschaftlicher Ebene. Aus diesem Grund wird in diesem Beitrag eine kombinierte Analyse auf volkswirtschaftlicher Ebene mit Hilfe von Allgemeinen Gleichgewichtsmodellen und auf agrarsektorieller Ebene mit Hilfe eines partiellen Gleichgewichtsmodells durchgeführt. In beiden Modelltypen werden für ausgewählte mitteleuropäische Länder (Polen, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn) mögliche Auswirkungen eines EU-Beitritts untersucht.

Quantitative Auswirkungen eines EU-Beitritts

Bei der Formulierung von CGE-Modellen steht die Frage der gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des landwirtschaftlichen Sektors in den Ländern Mitteleuropas besonders in Hinblick auf vier Bereiche im Mittelpunkt der Betrachtung:

  1. Einkommensbeitrag der Landwirtschaft,
  2. Beschäftigungsbeitrag der Landwirtschaft,
  3. Anteil der Nahrungsmittelausgaben an den Gesamtausgaben der privaten Haushalte,
  4. Außenbeitrag des Agrarsektors.

In Tabelle 1 ist die gesamtwirtschaftliche Bedeutung des Agrarsektors in den hier untersuchten Beitrittsländern den Werten der EU-12 gegenübergestellt. Der landwirtschaftliche Einkommens- und Beschäftigungsbeitrag ist in allen mitteleuropäischen Ländern wesentlich höher als in der EU. Dabei kommen die Werte der Tschechischen Republik denen der EU am nächsten. Der Einkommensbeitrag der ungarischen Landwirtschaft übersteigt den der EU jedoch um das 3,5fache und der Beschäftigungsbeitrag der polnischen Landwirtschaft liegt um das 4,5fache über dem Wert der EU. Ebenso haben Nahrungsmittelausgaben bei den Verbrauchern in Mitteleuropa eine wesentlich größere Bedeutung als in den Ländern der EU. Hier liegt der Anteil in Ungarn um über 50% und in Polen um nahezu 100% über dem in der EU. Bis auf Ungarn ist der landwirtschaftliche Handelsbilanzsaldo in allen mitteleuropäischen Ländern zur Zeit defizitär.

Tabelle 1: Volkswirtschaftliche Relevanz der Landwirtschaft in Ländern Mitteleuropas

Anteil der Landwirtschaft am BIP (in %)

Anteil der Landwirtschaft an der Gesamtbeschäftigung
(in %)

Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel an den Gesamtausgaben bei privaten Haushalten (in %)

Handelsbilanzsaldo im Agrarhandel
(in Mio. US$)

Jahr

1989

1995

1989

1995

1989

1995

1989

1995

Tschechische Republik

6,3

3,1

9,9

4,7

32,9

32,0 /1

-658

-477

Polen

11,8

6,1

26,4

25,0

36,9

28,0

448

-474

Ungarn

15,6

6,4

17,9

8,5

25,4

22,3 /2

1557

1897

Slowenien

4,4

4,4

11,8

10,0

25,7

25,2 /2

-85

-374

EU-12

1,8

5,5 /2

14,2 /3

-7091

Anmerkung: /1 einschl. Tabak und alkoholische Getränke, /2 1994, /3 1990.
Quelle: OECD (1996a), EU-Kommission (1996) und Statistische Jahrbücher der jeweiligen Länder.

Bei einem EU-Beitritt werden Änderungen in der Landwirtschaft von großer Bedeutung für die anderen Branchen sein. Sinkende Realeinkommen infolge eines möglichen Anstiegs der Nahrungsmittelpreise werden aufgrund der hohen Ausgabenanteile gravierende Auswirkungen auf den Konsum anderer Güter und Dienstleistungen haben. Ebenso ist zu erwarten, daß bei einem Beitritt die Defizite im Agraraußenhandel sinken bzw. im Falle Ungarns der landwirtschaftliche Außenhandelsüberschuß weiter steigen wird.

Tabelle 2: Beitrittszenarien Polens, Ungarns, der Tschechischen Republik und Sloweniens.

 

CGE-Modelle

Partialmodell

Beitritt

2003

2003

Anpassung der Agrarpolitiken an die GAP

2003-2007

2003-2007

Gemeinsamer Markt

 

2008

finanzielle Solidarität

2003

-

GAP

1. gegenwärtige GAP

2. Senkung der Protektion um 10%

1.gegenwärtige GAP

2. Agenda 2000

Quelle: Eigene Zusammenstellung.

Für beide Modelltypen wurden Szenarien untersucht, in denen ein EU-Beitritt für das Jahr 2003 angenommen wird (siehe Tabelle 2). Mit diesem Jahr treten die Instrumente der GAP und der finanziellen Solidarität in Kraft. Jedoch wird ein fünfjähriger Übergangszeitraum angenommen, in dem eine sukzessive Anpassung des Protektionsniveaus modelliert wird. Mit dem Jahr 2007 ist dieser Anpassungsprozeß abgeschlossen und die Mechanismen des Gemeinsamen Marktes treten in vollem Umfang in Kraft. Es werden insgesamt drei verschiedene Politikvarianten für den Agrarsektor getestet: Eine Fortführung der gegenwärtigen Politik ohne Beitritt, Beitritt und Einführung der gegenwärtigen GAP, die Agenda 2000 bzw. eine Senkung der Nettoprotektion um 10%.

Die Simulation der Beitrittszenarien auf einzelnen Agrarmärkte erfolgt mit Hilfe des partiellen Welthandelsmodells ESIM, das vom USDA/ERS in Zusammenarbeit mit Tangermann und Josling entwickelt und von Münch (1995) erweitert wurde. Dieses Modell vermag markt- und preispolitische Instrumente der GAP detailliert darzustellen und eignet sich deshalb besonders gut für diese Analyse in Ergänzung zu den CGE-Modellen. Die Agrarsektoren werden anhand von 27 Produkten dargestellt (siehe Nunez-Ferrer und Buckwell, 1997). Als Datenbasis dient der Durchschnitt der Jahre 1993-1995, wobei vorhandene Daten von 1996 aufgenommen wurden. Das Modell umfaßt in der gegenwärtigen Version 14 Länder, davon 6 mitteleuropäische: Bulgarien, Polen, die Slowakei, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn. Die Analyse erfolgt allerdings nur für die von der EU-Kommission benannten Beitrittskandidaten unter diesen Ländern.

Die CGE-Analyse eines EU-Beitritts für Polen, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn wird mit vier Ländermodellen durchgeführt. Diese CGE-Modelle basieren auf einem einer Konzeption, Adelman und Robinson (1978) ursprünglich für Korea entwickelt haben. Die Grundstruktur dieses sequentiell-dynamischen Modells wurde für Ungarn in Banse (1996) erweitert. Die Verhaltensgleichungen, die makroökonomischen Gleichgewichtsbedingungen sowie die Schließungsregeln (closure-rules) sind für alle vier Länder identisch. In allen Modellen wird das Angebot in acht Sektoren (Schwerindustrie, Landwirtschaft, Ernährungs-, Chemie-, Maschinenbau- und Konsumgüterindustrie, Baugewerbe sowie Dienstleistungen) mit CES-Funktionen dargestellt. Der Außenhandel ist auf der Grundlage des Armington-Ansatzes modelliert.

Als Datengrundlage dienen die jeweils letzten verfügbaren Input-Output-Tabellen und volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen, die auf der Basis der SNA (Standardized National Account) berechnet wurden. So ergeben sich für die Tschechische Republik 1992, für Ungarn und Slowenien 1993 und für Polen 1994 als Ausgangsjahre.

Da im Rahmen der CGE-Modelle die Instrumente der GAP nur rudimentär dargestellt werden können, wird die Differenz der nominalen Protektionsraten (NPR) zwischen der EU und den mitteleuropäischen Beitrittskandidaten als Maßstab der Anpassung zwischen 2003 und 2007 herangezogen. Für das Jahr 1993 ergibt sich dabei für Polen mit einer NPR von 13,8% die größte Differenz gegenüber dem Wert der EU (39,1%). Die Tschechische Republik weist eine NPR von 18,6%, Ungarn von 31,4% und Slowenien von 64,5% auf. Die Veränderung der Agrarpreise wird im Zuge der Politikanpassung in den CGE-Modellen für die Beitrittsländer wie ein exogener Anstieg der Import- bzw. Exportpreise modelliert.

Quantitative Auswirkungen eines EU-Beitritts

Auswirkungen auf landwirtschaftliche Märkte

In der Literatur sind zwei wesentliche Faktoren identifiziert, die die Marktentwicklungen im Zuge eines Beitritts hervorrufen: die Protektionslücke der markt- und preispolitischen Instrumente zwischen den mitteleuropäischen Agrarpolitiken und der GAP und die Produktionssteigerung durch technischen Fortschritt (siehe Tangermann und Josling, 1995; EU-Kommission, 1995 sowie Münch, 1995). Beide exogene Faktoren müssen durch Annahmen über zukünftige Entwicklungen abgedeckt werden. Die gegenwärtigen Politiken werden für den Simulationszeitraum von 1998 bis 2010 fortgeschrieben (unveränderte GAP), sowie alternativ dazu die Vorschläge der Kommission über eine zukünftige GAP aufgegriffen, die Agenda 2000 (siehe EU-Kommission, 1997a, b, c, d, e).

Während des Anpassungszeitraums von 2003 bis 2007 werden die institutionellen Preise und Regelungen der jeweils für die EU-15 simulierten GAP in den Beitrittsländern graduell eingeführt. Dies umfaßt in der unveränderte GAP Flächenstillegung, Kompensationszahlungen für Getreide und Ölsaaten, Produktionsquoten für Milch und Zucker sowie Interventionspreise und Außenschutzmaßnahmen. Für die Simulation der Agenda 2000 ist angenommen, daß die Flächenstillegung ausgesetzt wird, eine einheitliche Flächenprämie eingeführt wird, die Quotenregelung für Milch ab 2006 nicht mehr Anwendung findet und die Interventionspreise für Getreide, Rindfleisch sowie Milchprodukte wie von der Kommission vorgeschlagen abgesenkt werden. Die vorgeschlagenen Tierprämien bleiben in den Simulationen unberücksichtigt, sie fließen jedoch in die Budgetberechnungen mit ein.

In der Übergangsperiode ist der Handel zwischen den Beitrittsländern und der EU-15 noch nicht liberalisiert, d.h. die Preisbildung auf den Märkten erfolgt entsprechend der simulierten GAP und der jeweiligen Marktsituation. Treten z.B. auf den Getreidemärkten Überschüsse auf, so wird der Marktpreis durch den Interventionspreis stabilisiert. Tritt ein niedrigerer Selbstversorgungsgrad ein, so wird der Marktpreis durch den Schwellenpreis beeinflußt. Erst mit dem Gemeinsamen Markt im Jahr 2008 erfolgt die Preisbildung gemeinsam für die gesamte EU-19.

Die Erholung der Agrarproduktion in den mitteleuropäischen Staaten ist seit 1993 auch in den Statistiken erkennbar. Aus diesem Grunde sind Annahmen über zukünftige Produktivitätssteigerungen gewählt worden, die etwa denen in Westeuropa entsprechen. Innerhalb des Basislaufs, der unveränderte nationale Politiken ohne EU Beitritt simuliert, steigt die Produktion in Polen und Ungarn um das Jahr 2005 etwa auf das Niveau von Ende der 80iger Jahre. Aufgrund der angenommenen relativ starken realen Einkommenssteigerungen wächst der einheimische Verbrauch allerdings auch, so daß sich die Nettoaußenhandelsposition der Beitrittsländer nicht grundsätzlich ändert (siehe Tabelle 4).

Die Einführung der GAP führt in den Beitrittsländern zu unterschiedlichen Steigerungen der Marktpreise. Generell kommt es zu erheblichen realen Preissteigerungen auf den Märkten, die in der EU hochprotektioniert sind, also bei Futtergetreide, Zucker, Milchprodukten sowie bei Rindfleisch. Dabei lassen sich durchaus länderspezifische Unterschiede feststellen: Die größten Preissteigerungen sind in Ungarn zu erwarten. Auf der anderen Seite stehen zum Teil erhebliche reale Preissenkungen in Slowenien. In dem Szenario, das die Auswirkungen einer Agrarreform in der EU entsprechend den Vorschlägen in der Agenda 2000 simuliert, fallen die Preissteigerungen bei Futtergetreide und Rindfleisch geringer aus. (siehe Tabelle 3)

Tabelle 3: Reale Marktpreissteigerungen unter verschiedenen Szenarien 2010 gegenüber dem Basiszeitraum (in %)

Polen

Ungarn

Slowenien

Tschechische Republik

kein Beitritt

unref. GAP

Agenda 2000

kein Beitritt

unref. GAP

Agenda 2000

kein Beitritt

unref. GAP

Agenda 2000

kein Beitritt

unref. GAP

Agenda 2000

Weizen

-13

-11

-17

-10

51

40

-13

-27

-33

-7

14

5

Gerste

-3

27

1

-10

80

34

-13

8

-19

-13

32

-2

Roggen

0

30

7

-12

95

60

-13

-20

-34

-15

24

2

Zucker

0

43

43

-10

36

36

0

21

21

-3

65

65

Butter

0

147

123

-7

70

53

0

63

47

-5

37

23

Rindfleisch

0

78

0

-10

66

-7

0

-3

-45

-6

45

-18

Schweinefl.

2

14

-13

-12

19

-9

2

-34

-50

-12

10

-16

Quelle: Eigene Berechnungen.

Diese politikbedingten Preisbewegungen bei der Einführung der jetzigen GAP führen zu entsprechenden Reaktionen auf der Angebots- und der Verbrauchsseite. Produktionssteigerungen und Rückgänge der inländischen Verwendung finden insbesondere bei Futtergetreide, Milchprodukten und Rindfleisch statt. Insgesamt steigern die vier Beitrittsländer ihre Nettoexporteure dieser Produkte gegenüber dem Nicht-Beitritts-Szenario. Die Agenda 2000 vermindert diesen Effekt. Bei Milch und Milchprodukten allerdings, ganz zu schweigen von Zucker, müßten erhebliche Exportsubventionen aufgewendet werden (siehe Tabelle 4). Die in der Agenda 2000 vorgeschlagenen Reformen des Milchmarktes reichen also nicht aus, eine Produktionsausdehnung sinnvoll, d.h. ohne Produktionsquoten, zu begrenzen.

Tabelle 4:Produktion und Nettoexporte der Beitrittsländer in verschiedenen Szenarien (Mio. t)

Produktion

Nettoexporte

Basis

kein Beitritt

unver. GAP

Agenda 2000

Basis

kein Beitritt

unver. GAP

Agenda 2000

ges. Getreide

41,82

55,75

55,72

58,93

-0,14

2,50

7,77

9,56

Futtergetreide

25,47

33,11

35,25

35,06

-1,09

-0,93

6,83

3,68

Zucker

2,73

2,97

2,96

2,97

0,20

0,38

0,65

0,65

Butter

0,25

0,33

0,30

0,37

0,04

0,06

0,10

0,17

Rindfleisch

0,73

0,92

1,07

0,89

0,00

0,04

0,35

0,00

Schweinefleisch.

2,44

3,27

3,41

3,05

0,01

-0,12

0,11

-0,49

Quelle: Eigene Berechnungen.

Gegenüber der unveränderten GAP steigen die Nettoexporte bei unter der Agenda 2000. Die höhere Produktion wird bedingt durch den Wegfall der Flächenstillegung sowie durch die einheitliche Flächenprämie, die die Verzerrung in der Flächenallokation zwischen Getreide und Ölsaaten beseitigt, d.h. die Getreidefläche ist höher und die für Ölsaaten geringer als in der unveränderten GAP. Die Futterverwendung von Getreide insgesamt, insbesondere aber von Weizen, sinkt durch die verminderte Produktion von Schweinen, Geflügel und Eiern. (siehe Tabelle 3 und 4).

Gegenüber früheren Simulationen (Tangermann und Josling, 1995; Münch 1995) sind die Marktreaktionen im Zuge eines EU-Beitritts geringer. Als wesentliche Gründe lassen sich die drei folgenden anführen:

  1. Die Protektionslücke zwischen der EU und den potentiellen neuen Mitgliedern ist gegenüber 1991 bis 1993 geringer geworden.
  2. Die mitteleuropäischen Märkte sind weit weniger von Weltmarkteinflüssen abgeschottet als die der EU, so daß sich die zur Zeit hohen Weltmarktpreise in den Marktpreisen niedergeschlagen haben.
  3. Es wird keine schnelle Rückkehr zu den Produktionspotentialen von vor der Transformation simuliert, wie sie z.B. bei Tangermann und Josling (1995) sowie Münch (1995) angenommen wurde.

Die Zunahme der Überschüsse schlägt sich natürlich auch in zusätzlichen Staatsausgaben für einen Beitritt Polens, Ungarns, Sloweniens und der Tschechischen Republik nieder. Um aus den Modellergebnissen Kosten abzuleiten, die etwa den EAGFL-Garantie Ausgaben entsprechen, wurden Koeffizienten gebildet, die die nicht im Modell enthaltenden Posten wie z.B. andere kostenträchtige Marktordnungen und Lagerhaltung erklären.

Abbildung 1: Approximierte Nettostaatsausgaben für die Markt- und Preispolitik in den Beitrittsländern

Quelle: Eigene Berechnungen.

Die Einführung der gegenwärtigen GAP führt zu erheblichen zusätzlichen Ausgaben, die sich auf etwa 7 Mrd. ECU belaufen (siehe Abbildung 1). Die größten Faktoren sind die Kompensationszahlungen für Getreide, Ölsaaten und Flächenstillegung sowie die Marktordnungsausgaben für Milchprodukte und Rindfleisch. Die Simulation der Vorschläge der Agenda 2000 führt zu einer Verminderung dieser Kosten um etwa 2,5 Mrd. ECU. Die geschätzten Ausgaben für Tierprämien, die auf der Basis von Tierzahlen des Jahres 1996 ermittelt worden sind, würden die Ausgaben um etwa 25% steigern, d.h. der Einsparungseffekt wäre fast aufgezehrt. In diesem Fall sind etwa 70% der Haushaltskosten Flächen- und Tierprämien.

Aufgrund der relative geringen Zunahmen der Produktivitäten, stellt die Simulationsergebnisse eine konservative Schätzung möglicher Effekte dar, denn eine Erholung der Produktion insbesondere in Polen und in Ungarn könnte zu wesentlich größeren Produktionsausdehnungen führen und damit zu höheren Staatsausgaben. Die Agenda 2000 führt zwar zu ähnlichen Haushaltsbelastungen im Falle eines Beitritts der mitteleuropäischen Länder, allerdings sind die auftretenden Verzerrungen auf den Märkten geringer. Zudem führt diese Politik zu einer geringeren Belastung der Konsumenten, denen weniger hohe Agrarpreise aufgebürdet werden. Die Resultate zeigen allerdings auch, daß die Reform auf den Milchmärkten nicht ausreichend ist, um Überschüsse sinnvoll, d.h. ohne Produktionsquoten, zu begrenzen.

Volkswirtschaftliche Effekte

Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zeigt für die Beitrittsländer deutliche Steigerungen der Einkommen bei einer Fortführung der gegenwärtigen Politik (Basislauf) aus. So ist das BIP in diesen Staaten um die Jahrtausendwende deutlich höher als vor der Transformation. Ein Beitritt der mitteleuropäischen Länder hat tiefgreifende Auswirkungen auf die Produktion und den Handel mit Agrarprodukten in diesen Staaten. Dabei ist besonders zu betonen, daß die in dieser Analyse ausgewiesenen volkswirtschaftlichen Effekte allein aus dem markt- und preispolitischen Element der GAP resultieren. Die Agrarproduktion in Slowenien fällt aufgrund geringerer Protektion gegenüber dem Basislauf (Fortsetzung der bisherige Politik) deutlich geringer aus. Hingegen steigt die landwirtschaftliche Erzeugung in Polen und der Tschechischen Republik in beiden Szenarien deutlich an.

Tabelle 5: Veränderung der landwirtschaftlichen Produktion und der Agrarexporte Änderung gegenüber dem Basislauf (in %)

Polen

Slowenien

Tschechische Republik

Ungarn

Produktion

Einführung der gegenwärtigen GAP

9,6

-8,0

19,6

3,1

Einführung der reformierten GAP

8,3

-9,3

15,8

1,0

Exporte

Einführung der gegenwärtigen GAP

41,6

-10,8

60,0

4,1

Einführung der reformierten GAP

35,9

-12,5

47,9

1,3

Deutlich erkennbar wird die verzerrende Wirkung der GAP bei einem Vergleich der landwirtschaftlichen mit der industriellen Produktion. In allen drei Ländern steigt das Niveau der Agrarprotektion mit der Konsequenz einer steigenden relativen Bedeutung der Landwirtschaft. So ist der Anteil der tschechischen Agrarproduktion gegenüber der industriellen Produktion bei einem EU-Beitritt um nahezu 40% höher als im Basislauf. Die Bedeutung der slowenische Landwirtschaft sinkt hingegen bei einem EU-Beitritt, denn in diesem Fall führt die Einführung der GAP zu einem Rückgang der landwirtschaftlichen Protektion (siehe Abbildung 2).

 

 

Abbildung 2: Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktion relativ zur industriellen Produktion (100 = Relation im Basislauf)

Quelle: Eigene Berechnungen.

Die Veränderung des BIP fällt in Slowenien und Polen besonders deutlich aus. In beiden Ländern, die als Agrarnettoimporteure bei einem Beitritt die Differenz aus Zolleinnahmen und Exportsubventionen nach Brüssel abführen müssen, sinkt das BIP um 1,5% in Slowenien und um nahezu 2,8% in Polen. Zusätzlich zu den Budgeteffekten trägt die gestiegene Agrarprotektion in Polen durch eine Verschlechterung der gesamtwirtschaftlichen Allokation zu dem Rückgang bei. In Slowenien wird die verbesserte gesamtwirtschaftliche Allokation durch den Budgeteffekt überkompensiert. Demgegenüber steigt das BIP in Ungarn in Folge positiver Budgeteffekte trotz eines Anstiegs der Agrarprotektion nach Einführung der GAP um ca. 0,5% an.

Abbildung 3: Änderung des BIP bei einem EU-Beitritt (unveränderte GAP), Basislauf = 100

Quelle: Eigene Berechnungen.

Deutlicher als die Änderungen des BIP fallen die Wechselkursbewegungen aus. Diese sind durch den in Folge der hohen landwirtschaftlichen Produktionsanreize besonders stark ansteigenden Agraraußenhandel bedingt. Bei der Implementierung einer unveränderten GAP werten die realen Wechselkurse in Polen, der Tschechischen Republik und Ungarn auf. Der Abbau der Agrarprotektion in Slowenien im Zuge eines Beitritts hat eine Abwertung des Tolar zur Folge. Der Abfluß von Haushaltsmitteln für die landwirtschaftliche Markt- und Preispolitik verstärkt diese Entwicklung (siehe Abbildung 4).

Abbildung 4: Änderung der realen Wechselkurse bei einem EU-Beitritt (unveränderte GAP), Basislauf = 100

Anmerkung: Die Wechselkurse sind als Quotient aus heimischer zu ausländischer Währung definiert.
Quelle: Eigene Berechnungen.

In Tabelle 6 sind die Änderungen der Konsumentenwohlfahrt für die Beitrittsländer dargestellt. Die stärksten Wohlfahrtsverluste erleiden die polnischen Konsumenten, deren Wohlfahrt bei einer Einführung der unveränderten GAP um ca. 1 Mrd. US$ sinkt. Dieser Rückgang vermindert sich jedoch beträchtlich, wenn sich die polnische Agrarpolitik an eine reformierte GAP anpaßt. Allein in Ungarn führt die Einführung der GAP zu einem Anstieg der Konsumentenwohlfahrt.

Tabelle 5: Veränderung der Konsumentenwohlfahrt (in Mio. US$)

Polen

Slowenien

Tschechische Republik

Ungarn

Summe

Einführung der GAP

-1004,6

-44,2

-145,5

58,6

-1135,7

Einführung der reformierten GAP

-556,8

-109,3

-28,9

15,9

-679,1

Anmerkung: Berechnung auf der Basis realer Wechselkurse aus dem Durchschnitt von 1994-96.

Weitere Gesichtspunkte von wichtiger gesamtwirtschaftlicher Bedeutung, wie sinkende Transaktionskosten in Folge einheitlicher Rechtsnormen und technischer Standards, finden in dieser Analyse keine Berücksichtigung (siehe Baldwin und Francois, 1996). Einen Eindruck von solchen Aspekten verschafft ein Szenario, in dem ein Anstieg der Direktinvestitionen analysiert wird. Bei Annahme einer Steigerung der gesamten Investitionen um 5% in Folge gestiegener Direktinvestitionen erhöht sich das BIP in den vier Beitrittsländern um einen bis zwei Prozentpunkte. Damit wären bspw. die negativen Auswirkungen einer Einführung der GAP in Polen nahezu kompensiert. Diese moderate Annahme zeigt, daß die potentiellen Wohlfahrtsgewinne durch eine Beitritt groß sind. Sie sind um so größer, je marktorientierter eine zukünftige GAP ist.

Schlußfolgerungen

Der Beitritt Polens, Sloweniens, der Tschechischen Republik und Ungarns mit der Übernahme der GAP hat in allen vier Ländern tiefgreifende Auswirkungen, die weit über den Bereich des Agrarsektors hinausreichen. Die Analyse dieser EU-Erweiterung auf der Grundlage eines acht Sektoren umfassenden CGE-Modells ergibt hinsichtlich der Änderung der Agrarproduktion einen Anstieg in den Ländern, deren Protektionsniveau mit Einführung der GAP ansteigt. Dazu sind besonders Polen und die Tschechische Republik zu zählen. Die steigenden Agrarpreise haben jedoch auf der Seite der privaten Verbraucher z. T. erhebliche Wohlfahrtsverluste zur Folge. Aus dieser Sicht, die allein auf die Effekte der Übernahme der GAP beschränkt ist, wäre ein Beitritt der mitteleuropäischen Länder zur EU in der Summe aller Länder mit Wohlfahrtsverlusten verbunden. Eine Fortsetzung der Reform der GAP kann jedoch diese Verluste beträchtlich mindern.

Die partielle Analyse zeigt, daß die Länder Mitteleuropas ihre Nettoexporte von wichtigen Agrarprodukten beträchtlich steigern werden. In einer unveränderten GAP sind dies Futtergetreide, Milchprodukte und Rindfleisch. Die Produktionsanreize werden durch die Vorschläge der Kommission in der Agenda 2000 vermindert. Eine Einführung von zusätzlichen direkten Zahlungen im Rahmen der Agenda 2000 führt zwar zu einer nahezu unveränderten Budgetbelastung gegenüber einer unveränderten GAP. Jedoch entstehen Wohlfahrtsgewinne, weil die Verzerrungen auf den Märkten vermindert und den Konsumenten geringere Agrarpreise abverlangt werden.

Die unberücksichtigten volkswirtschaftlichen Effekte wirken sowohl dämpfend als auch verstärkend auf die Ergebnisse der partiellen Analyse. Die Aufwertungen der realen Wechselkurse mindern die Preissteigerungen in nationaler Währung und damit die Markteffekte. Dagegen führen geringere Verbrauchereinkommen zu verminderter Binnennachfrage und steigenden Nettoexporten. Die partiellen Analyse erlaubt eine detaillierte Modellierung der Instrumente der GAP, so daß neben Exportsubventionen und Zolleinnahmen auch andere Zahlungen ermittelt werden können. Eine Aufnahme dieses partielle Effekts in die gesamtwirtschaftliche Analyse würde deren Ergebnisse beeinflussen.

Trotz der in dieser Untersuchung dargestellten Wohlfahrtsverluste aufgrund der Übertragung der GAP auf die Beitrittsländer in Mitteleuropa wird die Ost-Erweiterung von positiven volkswirtschaftlichen Effekten in anderen Sektoren begleitet sein, die die dargestellten negativen Effekte einer Ausweitung der GAP mehr als kompensieren.

Literatur

Adelman, I. und S. Robinson (1978), Income Distribution Policy in Developing Countries - A Case Study of Korea. Stanford.

Bacharach, M. (1971), Biproportional Matrices and Input-Output Change. Cambridge.

Baldwin, R.E. und J.F. Francois (1996), Scale Economies, Imperfect Competition, and the Eastern Expansion of the EU. Paper präsentiert auf dem 50. EAAE-Seminar "Economic Transition and the Greening of Policies: Modelling New Challenges for
Agriculture and Agribusiness in Europe". Gießen. 15.-17. Oktober 1996.

Banse, M. (1996), Die Analyse der Transformation der ungarischen Volkswirtschaft - Eine Empirische Allgemeine Gleichgewichtsanalyse unter besonderer Berücksichtigung des Agrarsektors und der Ernährungsindustrie-. Doktorarbeit, Göttingen.

Banse, M. und S. Tangermann (1996), Agricultural Implications of Hungary’s Accession to the EU. Partial versus General Equilibrium Effects. Working Paper 1/2. Joint Research Project "Agricultural Implications of CEEC Accession to the EU". Göttingen.

Berkum, van S. und I. Terluin (1995), Accession of the four Visegrad countries to the EU. LEI-DLO working paper 545. Den Haag.

Bojnec S., W. Münch und J. Swinnen (1997), Exchange Rates and the Measurement of Agricultural Price Distortions in the CEECs and of CEEC-EU Accession Costs. Working Paper 1/3. Joint Research Project "Agricultural Implications of CEEC Accession to the EU". Göttingen.

Bojnec, S. und J. Swinnen (1996). Pattern of Agricultural Price Distortions in Central and Eastern Europe. An Update: 1990-1995. Working Paper 3/2. Joint Research Project "Agricultural Implications of CEEC Accession to the EU". Leuven.

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Az utolsó módosítás: 2005.05.29.
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